Stefan Aust über Baerbock "Hier bewirbt sich eine in öffentlichen Ämtern komplett unerfahrene Politikerin"

Stand: 25.07.2021 04:32 Uhr

Von Jörn Lauterbach
Redaktionsleiter Hamburg

Jeden Sonntag drei Fragen an Herausgeber Stefan Aust, heute zur Bundestagswahl. Aust nennt Gründe, warum bei dieser Wahl besonders kritisch auf die Kandidaten geschaut wird und verrät die Eigenschaft, die ihm bei Politikern besonders wichtig ist. WELT AM SONNTAG-Herausgeber Stefan Aust
Quelle: Oliver Schulze/WELT

WELT AM SONNTAG: Die Kanzlerkandidatin der Grünen schummelt bei Angaben, der Kanzlerkandidat der CDU lacht bei einer Gedenkstunde für Flutopfer - was denken Sie darüber?

Stefan Aust: Das sind zwei sehr unterschiedliche Vorgänge. Natürlich war es falsch, in diesem Moment zu lachen, aber wer immer unter Beobachtung und unter Druck steht, macht auch mal solche Fehler, für die Laschet dann um Entschuldigung gebeten hat. Alle weiteren Schlussfolgerungen über seinen Charakter halte ich für stark übertrieben. Bei Frau Baerbock ist es grundsätzlich so, dass sich hier eine in öffentlichen Ämtern komplett unerfahrene Politikerin um das Kanzleramt bewirbt. Wir wissen nicht, ob sie das gut ausfüllen könnte und gucken umso genauer darauf, was sie anbietet. Und da waren eben einige wichtige Angaben oder Ausarbeitungen falsch oder kopiert, und das macht misstrauisch.

WELT AM SONNTAG: Geht es für viele am Ende nur darum, das vermeintlich kleinere Übel zu wählen?

Aust: Das geht mir eigentlich bei allen Wahlen so, vielleicht liegt das an meiner kritischen Grundhaltung. Aber es muss doch auch gar nicht so sein, dass man komplett mit Programm und Person übereinstimmt. Da wird immer geguckt, was gerade noch am besten passt. Dass wird 16 Jahre mit derselben Kanzlerin verbracht haben, führt durch die Länge der Zeit vielleicht jetzt dazu, dass wir nochmal kritischer auf das neue Personal gucken.

WELT AM SONNTAG: Auf welche Eigenschaften kommt es Ihnen dann besonders an?

Aust: Zunächst einmal müssen wir uns daran gewöhnen, dass jeder Wechsel eine Chance und ein Risiko zugleich ist. Es kann immer noch schlechter werden. Richtig wichtig wird es aber, wenn Politiker auch gegen aktuelle Mehrheitsmeinungen zu ihrer Einstellung stehen, wie etwa Helmut Kohl, als es um die Deutsche Einheit ging. Wir erinnern uns noch an das Pfeifkonzert damals vor dem Schöneberger Rathaus. Wir brauchen auch künftig Politiker, die historische Chancen nutzen können.


Quelle: welt.de vom 25.07.2021